Vorwort und Überblick¶
Citizen Scientists forschen.
Diese einfache Feststellung fasst viele Diskurse, Kontroversen, unterschiedliche Begriffsverständnisse und langjährige Forschungsergebnisse zusammen. Es sind nicht nur berufliche Wissenschaftler*innen, die forschen, sondern unsere Gesellschaft vertraut auf wichtige Forschungsergebnisse von Bürger*innen, Betroffenen und Engagierten. Das sind oft nicht beruflich oder nur nebenberuflich und meist nicht bezahlte Forschende mit oft sehr tief greifender Expertise. Diese Menschen repräsentieren die Themen, die sie bewegen, und sind ein Spiegel unserer Gesellschaft. Dazu gehört auch, dass Menschen mit Behinderungen mitforschen. Darum haben wir uns entschieden, in diesem Dokument bewusst alle Menschen anzusprechen. Das wollen wir unter anderem mit der Formulierung „Citizen Scientists” deutlich machen.
In manchen Forschungsfeldern hat Citizen Science eine lange Tradition, etwa bei Vogelzählungen. In anderen ist die Bedeutung von engagierten Citizen Scientists weniger bekannt – zum Beispiel bei der Untersuchung seltener Krankheiten. Auf gesellschaftlicher Ebene können wir jedoch eine wachsende Bedeutung von Forschung erkennen, die von Bürger*innen ausgeht, von ihnen unterstützt oder sogar geleitet wird. Dabei lassen sich verschiedene Konstellationen unterscheiden, wie diese Citizen Scientists mit Wissenschaftlerinnen zusammenarbeiten, deren Beruf das Forschen ist. Kompetenzen sind unterschiedlich verteilt, ebenso wie Erfahrungen und der Zugang zu Ressourcen wie Geld und Zeit. Nicht immer ist die Trennung zwischen den beiden Gruppen zu erkennen, aber deren Zusammenarbeit wird immer wichtiger.
Vor diesem Hintergrund haben wir dieses Dokument erstellt. Wir – das sind Citizen Scientists rund um den Sozialhelden e. V. und beruflich Forschende der TU Dortmund – haben vier Jahre lang gemeinsam geforscht. Dabei haben wir zum einen eine beruflich-bürgerwissenschaftliche Kooperation erprobt und zum anderen die Citizen Science selbst unterstützt. Eines der Ergebnisse unserer Forschung ist, dass Citizen Science Unterstützung bei der Teilhabe von Co-Forschenden mit Behinderungen benötigt. Darum haben wir uns auf den Weg gemacht, diese Unterstützung anzubieten. Dieses Dokument – der Citizen-Science-Instrumentenkoffer – soll dieses Ziel erreichen: Citizen Scientists in sehr unterschiedlichen Kontexten und Themen dabei unterstützen, ihre Forschung inklusiv zu gestalten und so die Expertise von Menschen mit Behinderungen einzubeziehen. Der Instrumentenkoffer soll dabei ebenso Forschende unterstützen, die noch keine Erfahrung mit Inklusion gemacht haben, wie auch Profis, noch ein paar Ideen und Werkzeuge an die Hand geben.
Der „Koffer“ wurde im Rahmen des Projekts „IncluScience – Disability Mainstreaming in Wissenschaft und Praxis“ erstellt und ist voll von Instrumenten, die auch Laien schnell nutzen können.
Der Inhalt des Citizen-Science-Instrumentenkoffers umfasst die in diesem Projekt durchgeführten Verfahren, die für andere Citizen-Science-Projekte und Vorhaben, insbesondere für die Partizipation von Menschen mit Behinderungen, aufbereitet wurden. Das in diesem Instrumentenkoffer – wie er der Einfachheit halber abgekürzt wird – integrierte Wissen leistet zudem einen wesentlichen Beitrag für soziale Innovationen für Inklusion. Das heißt, dass der Instrumentenkoffer (neue) soziale Praktiken, die das Thema Inklusion in Citizen-Science-Kontexten betreffen, zum Gegenstand hat. Weiterhin dient der Instrumentenkoffer als niedrigschwellige Sprungstelle zu guten Quellen, Best-Practice-Beispielen und Praxisempfehlungen, weshalb der Instrumentenkoffer auch als qualitätsgesichertes Nachschlagewerk bezeichnet werden kann. Dabei wurde das Expert*innenwissen von Menschen mit Behinderungen und anderen Stakeholdern, wie ihren Interessenvertretungen, Verbänden, Vereinen usw., stetig einbezogen.
Resultat ist schließlich das hier vorliegende Dokument, das hilfreiche Empfehlungen für folgende Themen bietet:
- Kapitel 1: Einführung grundlegender Begriffe und Konzepte. Die Themen Behinderung, Inklusion, inklusive Citizen Science sowie Disability Mainstreaming werden dabei berücksichtigt.
- Kapitel 2: Praxisnahe Planung der Partizipation von Menschen mit Behinderungen, einschließlich der Beteiligung an der Forschungsfrage sowie der Frage nach Assistenz und Aufwandsentschädigung.
- Kapitel 3: Gestaltung barrierearmer Kommunikationswege. Hier geht es um die Ansprache von Menschen mit Behinderungen als Expert*innen und die Gestaltung inklusiver Kommunikation.
- Kapitel 4: Citizen Science in der Praxis. Dieses Kapitel umfasst Themen wie die Planung und Durchführung von Veranstaltungen, iterative Vorgehensweisen und inklusive Ansätze.
Alle (Teil-)Kapitel enden jeweils mit konkreten Gestaltungsempfehlungen sowie – wenn notwendig – Forderungslisten für inklusives Vorgehen.
Wir wünschen gute Lektüre. Vielleicht setzen Sie in Ihrem nächsten Vorhaben einige Ideen um. Es würde uns freuen.
Zitationsangabe:
Sozialforschungsstelle (sfs) der TU Dortmund: Bastian Pelka, Ann Christin Schulz, Daniel Krüger, Lisa-Marian Schmidt und Siba Tiefenbach
Sozialhelden e.V.: Lilly Ettlich, Marie Lampe, Jonas Deister, Sebastian Felix Zappe und Adina Hermann